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  Staatsbeamter, Diplomat und Generalsekretär
der Vereinten Nationen
 
           
   

Dag Hjalmar Agne Carl Hammarskjöld wird am 29. Juli 1905 in südschwedischen Jönköping geboren. Sein Vater ist zu diesem Zeitpunkt Justizminister Schwedens und später zeitweise Ministerpräsident (1914 – 1917). Dag wächst in der alten Universitäts- und Domstadt Uppsala auf. Nach dem erfolgreichen Studium von Literatur-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften arbeitet er zunächst als Sekretär der Arbeitslosenkommission (1930) und wird 1932 persönlicher Assistent von Finanzminister Ernst Wigforss. Im Jahr 1935 wird er Sekretär des Reichsbankpräsidenten Ivar Rooth (dem späteren Chef des Internationalen Währungsfond) und von 1936 bis 1945 Staatssekretär im Finanzministerium. Er ist damit Schwedens jüngster Staatssekretär. Von 1941 bis 1948 bekleidet er zudem noch das Amt des Präsidenten des Direktoriums der Reichsbank, der ältesten Notenbank der Welt.


Er arbeitet, zusammen mit einer Gruppe von Staatssekretären, darunter sein älterer Bruder Bo (Wirtschaftsministerium), den Gesetzesentwurf für den modernen schwedischen Sozialstaat aus. Dieser bekommt nach dem 2. Weltkrieg Modellcharakter für viele Staaten. Gefördert wird dies auch durch die Stellung, die Hammarskjöld von 1948 bis 1953 inne hat: er ist Hauptdelegierter bei der Organisation für die wirtschaftliche Zusammenarbeit Europas (OEEC) in Paris und arbeitet dort am europäischen Wiederaufbau mit. Von 1948 bis 1949 als Vizepräsident des Exekutivkomitees.
Dag Hammarskjöld wurde niemals Mitglied einer politischen Partei, sondern verstand seine Arbeit immer als parteienübergreifend und dem Gesamtwohl Schwedens und zunehmend dem Europas dienend.


Schon 1946 wurde er Vorsitzender des Schwedischen Gebirgsvereines und 1949 wird Hammarskjöld, neben anderen Aufgaben und Ämtern, zudem noch Kabinettssekretär im Außenministerium. Schon seit 1948 ist Hammarskjöld immer wieder Mitglied der schwedischen UNO-Delegation in Paris und New York.


Erste Journalisten und parteipolitische Kritiker fragen, ob und wie er denn diese »Aufgaben- und Ämterhäufung« bewältigen könne. Dag Hammarskjöld hat einen 16 Stunden Arbeitstag. Und dies sechs Tage die Woche. Er ist und bleibt unverheiratet. Spät abends oder am Wochenende widmet er sich der Literatur und besucht eine Theater- oder Konzertveranstaltung. Er braucht sehr wenig Schlaf, entgegnet er seinen Kritikern.

Im Jahr 1951 erfolgt die Ernennung zum beratenden Staatsrat und zum stellvertretenden Außenminister. Sein schwedischer und internationaler Freundeskreis, darunter viele Diplomaten und Politiker, bringt seinen Namen ins Spiel als die UNO einen neuen Generalsekretär sucht. Der belgische Politiker Henri Spaak zieht das kürzere Streichhölzchen. Anfang April 1953 trifft Dag Hammarskjöld als neu gewählter Sachverwalter der Vereinten Nationen in New York ein. Und damit beginnt für die Weltmächte eine Serie von zunehmend unangenehmen Überraschungen.
Später wird man in seinem posthumen, spirituell chiffrierten Tagebuch folgende Zeilen lesen können: »als den, der du im Innersten sein mußt, um deine Aufgabe zu erfüllen, darfst du dich nicht zeigen – damit man dir gestattet, sie zu erfüllen.«
Kaum im UNO-Glaspalast, von einigen Idealisten der Gründerzeit auch als zukünftiger Menschheitsdom oder Tempel der Menschheit bezeichnet, angekommen, inmitten der modernen Ketzerverfolgung der McCarthy-Ära , verbietet er dem amerikanischen Geheimdienst CIA und der Bundespolizei FBI den Zutritt auf das Gelände der Vereinten Nationen am East River. (Die »Tempelsäuberung« hatte begonnen.)


Im Jahr 1954 wird Dag Hammarskjöld in die Schwedische Akademie berufen und nimmt dort im Komitee für die Verleihung des Nobelpreises für Literatur eine federführende Position ein. Im Jahr 1955 trifft sich Dag Hammarskjöld mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Tschou En-lai, um die kritische Situation zwischen der Volksrepublik China und den USA zu entspannen. Beide Länder standen nach dem Korea-Krieg an der Schwelle eines neuen Krieges um die Inselgruppe Taiwan. Der amerikanische Unternehmer und US-Außenminister John Foster Dulles, sein Bruder Allan leitete den Geheimdienst CIA, drohte Peking mit dem Einsatz der Atombombe, woraufhin sich Moskau mit Peking solidarisierte.


Dag Hammarskjöld gelang es auf ungewöhnlichen Wegen (siehe hierzu in der Biographie ab S. 153 das Kapitel »Die China-Mission – Spirituelle Diplomatie«) die drohende Weltkriegssituation zu entschärfen. Zu seinem 50. Geburtstag am 29. Juli 1955 bekam er von Tschou En-lai 13 zum Tode verurteilte amerikanische CIA-Spione als Geschenk nach Schweden ausgeflogen.


Im Jahr 1956 umschiffte Dag Hammarskjöld das Veto von Grossbritannien und Frankreich, um in der Vollversammlung mittels der Gründung einer neuartigen UNO-Friedenstruppe (»Blauhelme«) die militärische Besetzung der Suez-Kanal-Zone durch britische, französische und israelische Truppen zu beenden und die Eskalation der Suez-Krise zu einem Konflikt der Supermächte zu verhindern.

Ein solches Vorgehen und das Ausspielen der Veto-Mächte ist ein Präzedenzfall in der Weltgeschichte. Nachfolgende Generalsekretäre werden noch lange von der Initiation der UNO-Blauhelmtruppen durch Dag Hammarskjöld zehren, aber keiner von ihnen wird bislang den Mut aufbringen nochmals das Veto-System auszuhebeln. Keiner nach Hammarskjöld ist bereit, im Namen von Wahrheitsfindung, internationaler Gerechtigkeit und Menschheitlichkeit, sich solche Todfeinde in der Weltpolitik zu machen.

Im Jahr 1957 lässt Dag Hammarskjöld durch seinen schwedischen Künstlerfreund Bo Beskow einen Meditationsraum als »Zentrum der Stille« im Gebäude der Vollversammlung einrichten. Er bittet Künstler aus aller Welt, darunter Pablo Picasso und Marc Chagall, Kunstwerke für die UNO-Räume zur Verfügung zu stellen. Infolgedessen gelangt u.a. Picassos Anti-Kriegs-Wandbild »Guernica« an die Eingangswand zum UN-Sicherheitsrat. Rund um die UNO-Gebäude initiiert er einen Kreis aus Skulpturen und Großplastiken zum Thema der Auseinandersetzung zwischen Krieg und Frieden, zwischen Gut und Böse. Das Ganze mutet am Ende an wie ein moderner »Steinkreis« mit dem UNO-Meditationsraum als zentralen Vermittlungspunkt. Der Künstler Joseph Beuys würde später eine solche Konstruktion als (begehbares) Gesamtkunstwerk bezeichnen.

Im Jahr 1958 gelingt es Dag Hammarskjöld Grossbritannien und die USA zum Abzug ihrer Truppen aus dem Libanon und aus Jordanien zu bewegen. Als die Führung der Sowjetunion eine japanische Resolution (Verstärkung der UNO im Libanon) mit ihrem Veto blockiert, handelt Dag Hammarskjöld trotzdem. Niemand wagte ihm offiziell das Vertrauen zu entziehen als er laut denkend feststellte, dass falls der Sicherheitsrat durch Veto blockiert werde, der Generalsekretär so handeln könne, wie es seiner Interpretation der allgemeinen Beschlusslage vor dem Veto entsprach.


In diesem Jahr beginnt er auch still aber intensiv als Anwalt der Dritten Welt im historischen Prozess der Entkolonialisierung tätig zu werden.

Der von Januar 1953 bis Januar 1961 amtierende US-Präsident Dwight Eisenhower, überraschenderweise in diesen Zeiten des Isolationismus und der Block-Bildung in der alten amerikanischen Tradition des Humanismus stehend, überließ Dag Hammarskjöld außenpolitisch einen relativ weitgehenden Spielraum, siehe Graphik auf Seite 157, welcher allerdings wieder von den Intrigen der Dulles-Brüder eingegrenzt wurde. Der Mann aus dem Norden wusste diesen Freiraum trotzdem zu nutzen.


Im Jahr 1959 stiftete Hammarskjöld einen Waffenstillstand in Laos und schlichtete durch seinen Vermittler, den schwedischen UNO-Botschafter Beck-Friis, Grenzstreitigkeiten zwischen Kambodscha und Thailand. Er öffnet protokollarisch den Wirtschafts- und Sozialrat der UNO zur Beratung auch für »nicht-staatliche Akteure« und schafft damit die Voraussetzung, dass sich über ein Jahrzehnt später die entstehenden NGO’s (weltweite Bürgerinitiativen) dort akkreditieren können. Mit Weitblick für das Zukünftige eröffnete er hier einen Kristallisationspunkt für die heutige Verbindung zwischen der Weltzivilgesellschaft und dem UNO-System.


Im Jahr 1960 sieht sich Dag Hammarskjöld der dritten grossen Krise in seiner Amtszeit gegenüber. Im Mai philosophiert er an der Rechtsfakultät der Universität von Chicago (Abdruck der Rede ab Seite 149) noch über einen zu entwickelnden »verfassungsrechtlichen Rahmen für die Welt« – ein diplomatischer Euphemismus für die Weiterentwicklung der UNO-Charta zu einer Weltverfassung.
Im Juli erfolgt der Rückschlag der alten Kolonialmächte. Nur ungern entlässt die belgische Regierung den Kongo in die Unabhängigkeit. Aber das riesengroße Land ist militärisch nicht mehr unter Kontrolle zu halten. Die belgische Regierung, im Verein mit belgischen, französischen und britischen Finanzkreisen, ersinnt einen Trick, welcher als Präzedenzfall den Prozess der Entkolonialisierung zum blutigen Einsturz bringen könnte. Wenige Tage nach der Unabhängigkeitserklärung sorgen interessierte Kreise dafür, dass der Provinzgouverneur Moise Tschombe die rohstoffreiche Provinz Katanga vom Gesamtkongo abspaltet und einen »unabhängigen« Kleinstaat unter belgischer Schutzherrschaft ausruft. In Katanga, wo ein Großteil der Bodenschätze lagert (u.a. Kupfer, Gold und Uran), werden 70 – 80 Prozent des kongolesischen Bruttosozialproduktes erwirtschaftet Ohne Katanga ist der Kongo wirtschaftlich nicht überlebensfähig.
Zudem beginnt der Stamm von Tschombe zusammen mit belgischen Truppen sowie französischen und britischen Söldnern einen Genozid gegen die kleineren Stammesgruppen in Katanga. Um die Selbstzerfleischung des Kongo zu verhindert entsendet Dag Hammarskjöld letztendlich über 20.000 UNO-Soldaten aus neutralen Ländern. Diese besetzen 1961, nach der Ermordung des kongolesischen Ministerpräsidenten Lumumba, u.a. Teile der Bergwerkbaugebiete von Katanga. Das Uran von Katanga erweist sich als äußerst bleihaltig. Und es gibt wirtschaftliche Interessenkreise die nun auch vor der Ermordung des populären UN-Generalsekretärs nicht mehr zurückschrecken. In der Nacht des 17. auf den 18. September 1961, auf dem Weg zu Friedensverhandlungen mit Tschombe, stirbt Dag Hammarskjöld und seine Begleiter bei einem »Absturz« ihres Flugzeuges.


Posthum wird ihm am 10. Dezember 1961, dem Tag der Menschenrechte, in Oslo der Friedensnobelpreis verliehen. Die lutheranisch-reformierte Kirche in Schweden widmet ihm und einem seiner Mentoren, Friedensnobelpreisträger (1933) Nathan Söderblom, einen kleinen Kapellenraum im Dom von Uppsala.



Der Text wurde dem Buch Dag Hammarskjölds Vermächtnis des Amthor Verlages entnommen.

 

 

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